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Fuseta – O pequeno paraíso

Abends zur schönsten Sonnenuntergangszeit kommen wir nach einer längeren Zugstrecke am Bahnhof von Faro an. Ein traumhaftes, warmes Licht taucht den Bahnhof in tiefes Gelb. Vergessen ist die Zugfahrt mit dem Pendulo-Schnellzug, der seinem Namen alle Ehre gemacht hat und die ganze Fahrt über unregelmäßig hin- und herschwankt, sodass vor uns ziemlich übel geworden ist.

Wir steigen in einen kleineren, alten Zug, der schon Vorfreude macht. Langsam setzt er sich in Bewegung und führt uns weiter in diesem schönen Licht, dass sich immer mehr ins orange verfärbt. Es geht vorbei an alten Salinen, die schon die Römer benutzt haben, mit viel schöner Natur und ab und Blick aufs Meer. Kurz vor 21 Uhr steigen wir in Fuseta A aus. Der Bahnhof ist winzig und gepflegt und auf dem großen Vorplatz begrüßt uns eine schüchterne Bahnhofskatze. Wir laufen über die kleine Fußgängerbrücke, die über das Bahngleis führt, zu unserer Ferienwohnung. Unser Gastgeber Pedro erwartet uns schon und führt uns als Erstes auf die riesige Dachterrasse. Er zeigt uns stolz die Aussicht auf den Ort und die Ria Formosa, die Lagune, die das Festland von den langgestreckten, vorgelagerten Inseln trennt. Wir freuen uns, dass Pedro mit uns auf Portugiesisch spricht und das extra so langsam, dass wir ihn wirklich gut verstehen können.

Am nächsten Morgen sehen wir das erste Mal die traumhafte Umgebung unseres Gasthauses. Hinterm Haus liegt ein kleiner, verwilderter Olivenhain in dem ein kleines schwarzes Kätzchen umherstreicht. Im Vorgarten steh ein großer Zitronenbaum und jeden Tag liegen ein paar Zitronen darunter. Sie sind doppelt so groß wie in Deutschland und sehr lecker. Sauer und sogar ein bisschen süß.

Nachfolgend ein paar Anekdoten zu Fuseta. Wir haben eine traumhafte Zeit dort gehabt. Es ist ein wirklich ein kleines Paradies und nicht so sehr touristisch. Also fahrt auf keinen Fall dorthin, damit es so bleibt.

Der glückliche Pizzabäcker

„Komm rein, es ist so schön hier“. Ein Portugiese winkt mir aus dem Wasser der Lagune zu während ich noch mit der Kälte kämpfe. Langsam bewege ich mich auf ihn zu und wir beginnen ein kleines Gespräch. Er schwärmt von Fuseta, der Ort der so schön ist, dass keiner jemals wieder weg will. Er am wenigsten. Das Wasser ist so gesund, man kann es inhalieren und damit gurgeln, was er mir sogleich vorführt. Es gibt so schöne Natur und es ist so entspannt hier, keiner hat Stress. Er könnte jetzt in seiner Pizzeria stehen, aber heute hat er zugemacht und ist stattdessen Baden gegangen. Es ist sein Paraiso!

Der ehemalige Politiker

Eines Abends kommen wir spät vom Strand. Wir haben uns nach meiner Yin Yoga Klasse mit einem deutschen Aussteiger verquatscht. Leider ist in Fuseta ab 22 Uhr kaum noch ein Restaurant offen, zumindest jetzt in der Vorsaison. Hungrig streifen wir durch die Straßen und treffen in einem kleinen Lokal auf einen Kellner, der gerade die Tische einräumt. Wir fragen ihn, ob er nicht noch irgendetwas für uns hat, wir sind so hungrig. Es stellt sich heraus, dass er der Inhaber des Restaurants ist. Er freut sich uns retten zu können und empfiehlt uns leckere Käse- und Lachstoasts. Wir reden ein bisschen, es stellt sich heraus, dass er sogar etwas Deutsch spricht, weil er in Deutschland seine Ausbildung zum Gastronomen gemacht hat und etwas dort gelebt hat.

Dann erzählt er uns von seiner Vergangenheit. Er war einmal sehr ambitioniert und hat im Immobilienbereich gearbeitet, dann war er Politiker für die CDU. Die CDU ist in Portugal eine linke, sozialistische Partei. Stolz zeigt er uns Fotos von seinen Wahlplakaten auf denen er seriös dreinblickt.
Er wird ernst, vor ein paar Jahren ist sein bester Freund ist viel zu früh gestorben. Auf seinem Smartphone zeigt er uns ein paar Fotos mit ihm. Sie hatten zusammen einen Verein für Fuseta gegründet um Feste und Veranstaltungen für die Einheimischen zu veranstalten. Außerdem kamen seine Kinder auf die Welt. Beides hat ihn dazu gebracht nachzudenken, was er im Leben will und er hat die Entscheidung getroffen, das kleine Restaurant zu übernehmen und nicht mehr so viel zu arbeiten. Jetzt ist er nur noch in Fuseta, in diesem, wie auch er sagt, Paradies und genießt sein Leben und den Moment: „Morgen mache ich erst um 11 Uhr auf, weil wir heute so lange geredet haben.“

Der Alemao

Und noch eine Sabbatical-Begegnung. In Fuseta geht vom kleinen Hauptplatz, der aufgeteilt ist nach Touristenlokalen auf der einen und einheimischen Lokalen auf der anderen Seite eine kleine Seitengasse. Dort befindet sich die Tapasbar vom Alemao und seiner Familie. Es ist so ziemlich der einzige Ort, neben einem schicken, veganen Restaurant, an dem es etwas anderes gibt als den immer gleich Fisch oder Fleisch. Sie haben eine ganze Kollektion von vegetarischen Tapas. Alles ist irgendwie besonders, aber trotzdem portugiesisch.

Nach dem zweiten Besuch reden wir ein bisschen mit der Kellnerin. Sie erzählt uns, dass sie das Lokal als Familienprojekt mit ihrem 16-jährigen Bruder und ihren beiden Eltern betreiben. Ihr Vater ist ein begnadeter Koch, die Mutter (seine Ex-Frau) macht das Marketing und sucht die Weine aus und die beiden Kinder arbeiten als Kellner_innen und helfen in der Küche mit.

Später kommen wir auch mit ihm ins Gespräch. Er erzählt uns, wie er mit kaum 20 Jahren Fuseta entdeckt hat. Mit einem VW-Bus ist er ganz klischeehaft durch Portugal gereist. Als er zurückkam, hat er seinen Eltern, die in Köln Gastronomen waren, von Fuseta vorgeschwärmt. So sehr, dass sie direkt hingefahren sind. „Ein paar Wochen später haben sie mir erzählt, dass sie in Köln alles verkauft haben und stattdessen ein kleines Haus und ein Restaurant in Fuseta gekauft haben.“ Er folgte ihnen nach, arbeitete eine Weile in ihrem Restaurant als Koch und pendelt seitdem zwischen Deutschland und Fuseta. In Deutschland ist er ein gefragter Filmkoch und macht das Catering für viele Produktionen.

Dann kam Corona und hat für ihn eine Chance bedeutet. Er bekommt das Angebot, ein Restaurant günstig zu übernehmen und kann endlich hier in Fuseta bleiben. Seine Familie ist sofort dabei und so starten sie in der schwierigsten Zeit überhaupt, versuchen erst Take-Away, dann auch mal wieder limitiert geöffnet zwischen den Lockdowns. Er fliegt noch zu ein paar Produktionen nach Deutschland um das Restaurant zu finanzieren, dann ist Corona „vorbei“ und seitdem ist er nur noch hier und glücklich damit. Auch wenn ich schon ein halbes Jahr nicht mehr im Meer gebadet habe, es reicht mir es zu riechen und zu wissen, dass ich es jederzeit könnte.

Yemayin – Yin Yoga am Strand

Eines Tages, wir haben gerade das erste Mal unseren Aufenthalt verlängert, ist es soweit. Ich möchte anfangen, Yin Yoga zu unterrichten, wie ich es mir vor unserer Reise vorgestellt habe. Die Idee am Strand Klassen zu geben reift und ich mache schnell ein kleines Plakat und eine Facebook-Einladung. Das Plakat verteile ich mit Salome an einigen Orten. Fuseta fühlt sich plötzlich wie Heimat an, weil mein Plakat im Aushang beim kleinen Zeitungskiosk hängt. Ich bin aufgeregt und irgendwie auch nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand kommt. Lange schon habe ich nicht mehr auf Englisch unterrichtet und so gehe ich nochmal alles durch.

Dann kommt der Samstag Abend. Ich gehe extra früh zum Strand, suche eine Stelle aus, die nicht so windig ist. Salome kommt nach und läuft mit meinem Plakat den Strand ab und tatsächlich, ein junges englisches Pärchen hat das Plakat gelesen und möchte gerne mitmachen. Ich habe die Klasse so geplant, dass wir am Ende gemeinsam den Sonnenuntergang über der Rio Formosa ansehen können. Es fühlt sich großartig an, es wirklich gemacht zu haben.

Ich gebe noch drei weitere Klassen am Montag, Mittwoch und Freitag. Jede Klasse ist anders, in der einen sind sieben Leute und es ist wunderschön ruhig. Zwischendurch landen ein paar Vögel zwischen uns und sitzen friedlich dort, während die Teilnehmer_innen in ihrer Position entspannen und davon nicht viel mitkriegen. Leise rauscht das Meer dahin und die Sonne taucht den Strand in schönes Licht. Ein andermal ist es sehr unruhig, für mich schwer auszuhalten. Ein paar Hunde kommen und schnuppern an uns, der eine gehört zu einer Teilnehmerin und er rennt quer durch die Liegenden. Sand spritzt über alle. Ich bleibe zumindest äußerlich ruhig. Dann startet neben uns eine Drohne, piepsend und surrend fliegt sie immer wieder über den Strand. Ich passe die Klasse etwas an. Am Ende stellt sich heraus, dass es trotzdem für alle schön war. Von außen sieht man das nicht. Eine Sache, die beim Yin Yoga herausfordernd ist. Alles passiert im Innen, ob jemand entspannt oder nicht, kann man vor allem mit dem Auge nicht sehen.

Wir haben zweimal verlängert und sind am Ende über 2 Wochen in Fuseta geblieben. Am Ende waren wir in einem riesigen, alten Stadthaus mit großem Garten, Dachterrasse, Pool und am wichtigsten: einer lieben, alten und blinden Katze, mit der wir viel Freude gehabt haben und die uns kaum gehen lassen wollte. Aber das ist eine andere Geschichte.

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