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Die ultimative Reiseerfahrung

Reisen! Mit dem Bus, dem Zug, Hauptsache langsam. Zeit zum Denken, Träumen, Verarbeiten. Meditation für die Augen. Wir sind auf dem Weg nach Portugal ins schöne Duorogebiet. Ich könnte ewig weiterfahren.

Von Salamanca nach Portugal

Wir fahren bis Ciudad Rodrigo mit einem Überlandbus. Dort angekommen trinken wir einen Espresso und fragen uns durch, wie wir weiterkommen. Unser Busfahrer sagt uns, wir sollen hier noch 4 Minuten warten. Als der nächste Bus kommt, macht der Fahrer so Andeutungen und wir haben das Gefühl, der andere Fahrer hat extra angerufen und der Bus ist für uns nochmal umgekehrt, weil er zu früh dran war. Weiter gehts, nächstes Ziel ist die Grenze. Wir haben uns vorgenommen, einmal eine Grenze zu Fuß überqueren.

Der Grenzort ist ein ziemlich verschlafenes Nest, seitdem die Grenze keine wirkliche mehr ist, gibt es kaum noch die Notwendigkeit hier anzuhalten. Wir laufen durch den verlassenen großen Übergang. Kontrollen gibt es auch hier nicht, wieder einmal „Danke, EU“! Ein recht neues Denkmal gedenkt einer vergangenen Schlacht an der Grenze, es hängen die Fahnen aller beteiligten Kriegsparteien, nicht nur die der Spanier, sondern auch Frankreichs (Napoleon), Englands und Portugals. Ein neues Gedenken.

Mein erstes Mal: Trampen!

Wir wollen gerne ins Duoro-Tal und dort eine spektakuläre Bahn entlang des Duoro-Flusses nehmen. Das Gebiet soll traumhaft schön sein. Busse oder Züge gibt es hier kaum noch, deswegen beschließen wir Autostopp zu machen. Wir laufen zwanzig Minuten zu einer günstigen Stelle und strecken unsere Hände aus. Ich mache dazu portugiesische Musik an. Es ist aufregend, ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal Autostopp gemacht habe. Salome ist etwas erfahrener, hat aber gerade in Portugal beim letzten Versuch keinen Erfolg gehabt.

Cohibas in der Mittelkonsole – Zufall?

Wir warten 20 Minuten, dann hält ein klappriger, kleiner roter Citroën. Der Fahrer, ein Anwalt, der für die die Regionalverwaltung arbeitet, nimmt uns in die nächste Stadt etwa 20 km weiter mit. Das Auto ist voll mit unserem ganzen Gepäck, Salome ist kaum noch zusehen auf dem Rücksitz. Er fährt einen steilen Zahn durch die kurvige Strecke. Olivenbäume und Weinreben ziehen vorüber. Das Fenster ist unten, ich genieße den Fahrtwind und wir reden in einem Gemisch aus Spanisch, Französisch, Englisch und Portugiesisch. Es ist das erste Mal, dass er jemanden mitnimmt. Er lebt teils in Spanien, wo er ein Pferdegehöft hat, teils in Portugal. Als Anwalt wisse er, das beste von allen Seiten zu bekommen. In Spanien die Cohibas-Zigarillos, die ich gleich wie ein gutes Zeichen in der Mittelkonsole gesehen habe, in Portugal den Single Malt Whiskey. Auch ein paar Brocken Deutsch gibt er zum Besten, eine Ex-Frau sei Deutsche gewesen.

Angekommen in Almeida, fährt er uns mit dem Auto herum und gibt den Stadtführer. Almeida ist eine alte Festung, die ganze Stadt ist bis heute von einer großen Mauer umschlossen. Die Sehenswürdigkeiten sind auch hier in erster Linie Kriegsmuseen, alte Bunker, Friedhöfe. Wir verabschieden uns herzlich, machen noch ein Foto und laufen durch den alten, malerischen Ort. Bis auf zwei alte Omas, die an ihrem Vorgarten und uns herzlich grüßen, gibt es wenig Menschen. Ein Franzose grüßt und erzählt, nachdem er erfahren hat, dass wir aus Berlin sind, von seinem Cousin aus Bad Freienwalde und seinen Besuchen in der DDR. Stolz kramt er aus seinem Gedächtnis sein Deutsch heraus und möchte gar nicht mehr aufhören zu erzählen. Wir finden irgendwie einen Ausweg aus dem Gespräch und der kleinen Stadt und stehen wieder an der Straße.

Mit dem Wachmann nach Figuera

Es dauert nicht lange, und ein schickes Peugeotcoupe hält an. Der junge Fahrer bietet an, uns zu seinem Heimatort Figuera mitzunehmen. Er spricht nur Portugiesisch, aber wir können trotzdem ganz gut mit ihm reden. Er ist Wachmann und kommt gerade von der Arbeit zurück nach Hause. Auch er macht extra einen Umweg, um uns stolz seine Heimat, die mittlerweile hügelige Landschaft, mit atemberaubenden Panoramen zu zeigen. Er will uns noch viele Hinweise geben, von denen wir aber nur einen Teil verstehen. Verschmitzt erzählt er vom guten Wein, den die meisten Familien hier selbst herstellen und von Ginjinha, dem bekannten portugiesischen Kirschlikör: „Wenn er damit anfange, kann er aber nicht mehr fahren!“

Angekommen in Figuera versuchen wir etwas zu essen zu finden, es ist mittlerweile 4. Keine Essenszeit in Portugal und so müssen wir mit einem Käsetoast vorlieb nehmen, der allerdings großzügig bemessen und von allen Seiten mit reichlich mit Butter bestrichen ist. Wir freuen uns, dass wir so viel Glück gehabt haben und beschließen euphorisch, gleich noch eine weitere Fahrt zu versuchen.

Wohin wollt ihr denn???

Dieses Mal kommen wenige Autos vorbei, wir warten lange. Es ist heiß und die Sonne brennt hochsommerlich, sodass wir uns mehrfach in den friedlichen Schatten eines portugiesischen Panzers setzen, der hier an vergangene glorreiche Einsätze der Portugiesen in der Welt erinnert. Die paar Autos, die vorbeikommen, signalisieren freundlich, dass sie zu wenig Platz haben oder im Ort wohnen. Nach einer Stunde hält ein kleiner Jeep. Zwei ältere Portugiesen mit braungebrannten, schroffen Gesichtern schauen uns an: „Wohin wollt ihr denn?“ Sie nehmen uns mit, zwar nur ein paar Kilometer, aber immerhin. Es stellt sich auf dem Weg heraus, dass es Brüder sind. Mittlerweile wird die Landschaft bergiger, es gibt viele Felsblöcke, die anscheinend eines der großen Exportgüter der Region sind und sich in den schicken Bädern und SPAs in Frankreich, Deutschland und anderen Ländern wiederfinden, wie sie patriotisch berichten. Sie lassen uns an einer kleinen Bar in ihrem Ort aussteigen und weisen uns mit erhobener Faust an, alle Autofahrer mit Foz Cao, unserem Zielort lautstark anzugehen. Auch der Kellner der Bar, der gerade rauskommt, wird gestenreich instruiert, für uns nach einer Lösung zu suchen.

50 Cent für einen Vinho Tinto, eine Schafherde und ein unentschlossener Banker

Die liegt allerdings fern. Es ist mittlerweile schon fast 19 Uhr und der Verkehr so gut wie nicht mehr vorhanden. Salome schaut sich eine Unterkunft an, die in der Nähe liegt. Sie würde am liebsten hierbleiben, 9 Katzen, eine Schafherde und die unglaubliche Ruhe dieser Gegend haben sie überzeugt, aber die Herberge sprengt etwas unser Budget und gleichzeitig ist auch noch unser Ehrgeiz geweckt. Wir kaufen uns in der kleinen Bar für 50 Cent ein Glas Vinho Tinto de Casa. Durch den leckeren Rotwein gestärkt, geben wir nochmal alles, gestikulieren den wenigen Autos mit betenden Händen. Ein edles schwarzes Auto fährt langsamer, bleibt aber nicht stehen. 10 Minuten vergehen, in denen nur 2 Autos vorbeikommen, die aber direkt im Ort bleiben. Plötzlich kommt aus der Gegenrichtung das schwarze Auto zurück. Der Fahrer lässt die Scheibe herunter und fragt auf Englisch, wo wir hinwollen. Er ist extra für uns zurückgekehrt, weil er darüber nachgedacht hat, dass er selbst immer einmal Autostopp machen wollte und sich nie getraut hat. Er arbeitet bei der Bank in unserem Zielort, führt stolz seine Sprachkenntnisse vor und erzählt uns viel über die Gegend, die mittlerweile von Mandelbäumen, Oliven und immer mehr Wein bestimmt wird. Hinter jeder Kurve wartet eine spektakuläre Aussicht auf ein Tal, einen Fluss oder einen steilen Abhang. Wieder einmal bekommen wir eine Stadtrundfahrt, einen Restauranttipp und werden sogar direkt an der Jugendherberge abgesetzt, die wir uns ausgeguckt haben.

Die Herberge ist an einem steilen Hang mit einem traumhaften Ausblick, ein lieber entspannter Hund erwartet uns und wir bekommen sogar ein Doppelzimmer mit ebendiesem Ausblick. Wir kommen gerade rechtzeitig um die Sonne über den Wipfeln untergehen und den Himmel in oranges Licht tauchen zu sehen.

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